Wir freuen uns Euch einen sehr interessanten Beitrag von Vivian König zum Thema Zwergensprache vorstellen zu können. Sie gibt ihre Begeisterung und Erfahrungen mit den Babyzeichen in Seminaren und als Autorin von Elternratgebern („Das große Buch der Babyzeichen„), Kinderbüchern und Fachartikeln weiter.
U.a. ist sie verantwortlich für die Webseite Babyzeichensprache. Dort findet Ihr zusätzliche Informationen zu gratis Schnupperkursen, Elternberichte und Literaturvorschläge.
Babys erleben jeden einzelnen Tag mit wachen Sinnen und nehmen eine Fülle von neuen Informationen auf. Da ist es ganz klar, dass die Kleinen ihre Erlebnisse und Wünsche auch mitteilen möchten.
Das entspricht unserem menschlichen Grundbedürfnis nach sozialem Kontakt. Nur wie macht man das, wenn man noch nicht verständlich sprechen kann?
Babyzeichen als Brücke zur Lautsprache
Babys im vorsprachlichen Alter verfügen bereits über ein großes Sprachverständnis. Sie verstehen schon sehr viel von dem, was rings um sie vorgeht. Bis zur verständlichen Lautsprache bieten ihnen die Babyzeichen eine spielerische Brücke, ihre Bedürfnisse altersgerecht auszudrücken.
Babyzeichen sind dabei einfache Handzeichen und Gesten, die für wichtige Dinge im Babyalltag stehen (z.B. Milch, Musik, Tiere, Gefühle,…) und die das von Mama oder Papa gesprochene Wort durch eine Handbewegung zusätzlich untermalen und so verständlicher machen.
Ganz nebenbei geben die Gesten dem Kind Orientierung im Alltag. Dabei sagen dann nicht nur unsere Worte, sondern gleichzeitig auch unsere Hände, dass es jetzt z.B. etwas zu „ESSEN“ gibt oder Zeit zum „BADEN“ ist oder wir kündigen auf dem Spielplatz an, dass es jetzt nach „HAUSE“ geht.
Zwergensprache kindgerecht verpackt
Intuitive Gesten
Im Grunde nutzt jeder, der mit Babys zu tun hat, intuitiv schon gewisse Handzeichen, ohne sich bisher darüber weitere Gedanken gemacht zu haben: Wir zeigen unseren Babys ganz selbstverständlich einfache Gesten wie „winken“ zum Abschied oder klatschen für „bravo“, die sie mit Freude nachahmen und so ihre ersten Erfahrungen im Bereich Kommunikation sammeln dürfen.
Wenn ein Baby winkt, winkt jeder erfreut zurück, und da setzt der erste Erfolg für das Kind ein: Ich teile mich mit und bekomme dafür eine Antwort. Auch den Finger auf den Mund zu legen für „pst – leise sein!“ oder die Hand hinters Ohr zu halten für „horch!“ kommt Dir bestimmt bekannt vor und wird seit Generationen mit den Jüngsten verwendet.
An der Gebärdensprache angelegt
Auf dieser Idee basiert die sogenannte Zwergensprache. Sie baut auf dieser natürlichen Gestik auf und erweitert sie: Anhand weiterer konkreter Gesten und Handzeichen, die aus der Gebärdensprache entlehnt wurden, erhalten Babys die Möglichkeit, sich spezifisch auszudrücken.
Sie teilen uns so mit, was sie sehen (Mama, schau ein HUND), was sie erleben (Das ist aber LAUT.), gern erhalten möchten (WO ist der BALL) und was sie sonst noch beschäftigt (ANGST vor dem Rasenmäher). Die Einblicke in Babys Gedankenwelt, die dadurch möglich werden, sind für die meisten Eltern faszinierend.
Das Entwicklungstempo ist von Kind zu Kind individuell
Erste Babyzeichen können manche Kinder schon im Alter von 6 bis 9 Monaten nachahmen und bewusst anwenden. Das klappt zum einen, weil dann die Motorik der Händchen schon soweit ausgereift ist, und sie zum anderen in diesem Alter auch häufig benutzte Wörter bereits verstehen können.
Dies ist richtet sich aber nach dem individuellen Entwicklungstempo und ist von Kind zu Kind verschieden. Wer „winke-winke“ mit Spaß lernt, ist auch für andere Gesten als Angebot offen. So hilft man nicht nur der Kommunikation innerhalb der Familie auf die Sprünge, sondern ebnet schrittweise auch Babys Weg bis hin zu ersten gesprochenen Worten.
Kein Lernprogramm
Babyzeichen sollten kein Lernprogramm sein, sondern stets ein altersgerechtes Angebot an das Kind, welches immer selbst entscheidet, was ihm nützt. Sie unterstellen auch keinen Kommunikationsnotstand in der Familie. Im Gegenteil.
Einsatz von Babyzeichen erhöht die Aufmerksamkeit
Eltern verstehen ihre Babys von Anfang an, weil sie auf Mimik und Gestik der Kleinen achten sowie auf deren Körpersprache. Der Einsatz von Babyzeichen verstärkt nun noch die Aufmerksamkeit der Eltern für die Kommunikationsversuche ihrer Kinder und unterstützt dabei den natürlichen Verständigungs- und Bindungsprozess auf intensive und zugewandte Weise. Babyzeichen ermöglichen einen wertschätzenden Dialog auf Augenhöhe von Anfang an.
Mit Hilfe von Babyzeichen können Familien ihre Babys interaktiver am Alltagsleben teilhaben lassen – noch bevor die Kleinen deutlich sprechen können. Die Zwergensprache erleichtert in den ersten zwei Lebensjahren das gegenseitige „sich Verständlich machen“ von Groß und Klein.
Auf kindgerechte Weise wird dabei der gemeinsame Austausch angeregt, denn die Babyzeichen begleiten das Sprechen lernen spielerisch und machen abstrakte Worte für das Kind anschaulich und leichter begreifbar. Spricht man z.B. vom „VOGEL“, formen Daumen und Zeigefinger am Mund einen Schnabel nach, der auf und zu geht.
Lächeln auf Kindergesichter zaubern
Das Baby schaut sich dies bei uns ab und verwendet es dann selbst, wenn es uns auf einen Piepmatz aufmerksam machen möchte. So weckt man schon bei den Kleinsten die Freude, sich mitzuteilen und zaubert ein Lächeln auf Kindergesichter, wenn diese sich verstanden fühlen.
Die Methode wirkt natürlich beidseitig: Auch die Eltern werden vom Kind leichter und rascher verstanden, wenn sie in ihre Interaktion und Sprache hin und wieder zu einzelnen Wörtern eine konkrete Geste bzw. Gebärde mit einfließen lassen, indem sie dem Kind z.B. ankündigen, dass es nun Zeit für eine neue „WINDEL“ ist.
Oft berichten Eltern, die einen Zwergensprache-Kurs besucht haben, wie viel besser die Kleinen nun kooperieren, weil sie sich nun besser auf den Situationen-Wechsel einstellen können.
Sprache mit allen Sinnen erleben
Je älter Babys werden, je mehr sie unsere Welt erobern, die Dinge um sich herum erforschen und beginnen, ihnen Namen zuzuordnen, desto mehr hilft es ihnen, wenn sie dabei mit vielen Sinnen und auf verschiedenen Wahrnehmungskanälen lernen dürfen.
Als Brücke auf dem Weg zur Lautsprache helfen Babyzeichen den Kindern schon ab dem ersten Schritt des Spracherwerbes. Sie erleichtern Begriffe zu bilden und die Namen von Dingen und Tätigkeiten zu lernen, wiederzuerkennen und bei Einsatzbedarf wieder abzurufen.
Babys können durch die Babyzeichen Sprache hören, sehen, fühlen und selbst durch die Bewegung der Gebärde nachahmen. Die Kombination von Sprache und Bewegung bezieht die Kinder aktiv ein und schult ihre visuelle, motorische und akustische Wahrnehmungsfähigkeit.
Viele wichtige vorsprachliche Fähigkeiten wie Grob- und Feinmotorik der Hände und Finger, Hand-Augen-Koordination, Blickkontakt und Motivation zum Austausch mit anderen werden nebenbei spielerisch gefördert.
Erleichterung des Miteinanders
Für viele Familien steht beim Erlernen von Babyzeichen die Erleichterung des Alltags mit einem Kleinkind im Mittelpunkt. Sie finden es angenehm, wenn das Baby „sagen“ kann, was es braucht oder woran es gerade denkt.
Der häufigste Beweggrund für einen Kursbesuch ist der Wunsch eines besseren gegenseitigen Verstehens. Anderen geht es um die Förderung des Selbstbewusstseins und der emotionalen Stabilität der Babys.
Von der Zwergensprache profitieren auch mehrsprachige Familien oder Kinder mit erschwertem Spracherwerb z.B. aufgrund von Down-Syndrom, Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalte oder Hörschädigung. Babyzeichen sind eine Unterstützung und spielerische Begleitung beim Spracherwerb für alle Kinder.
Im englischsprachigen Raum sehr verbreitet
Im englischen Sprachraum sind baby signs seit fast drei Jahrzehnten ein weit verbreitetes Standardangebot für Eltern und Betreuer. Dort werden sie u.a. auch in Kindereinrichtungen viel genutzt.
Bei uns kann man Babyzeichen mit seinem Kind in Kursen und Workshops lernen sowie über Bücher oder eine App (s.u.). Es gibt auch Fachseminare für Logopäden, Heilpädagogen, Hebammen, ErzieherInnen, Tagesmütter sowie weiteres Fachpersonal.
Es ist gar nicht so schwer, seine Hände beim Sprechen bewusster einzusetzen. Probiere es einfach einmal aus und achte auf all die Gesten, die Du intuitiv bereits nutzt. Du wirst staunen und feststellen: Sprache und Gestik gehören ohnehin zusammen. Damit sind Babyzeichen eigentlich etwas Altbewährtes …
Eure Vivian König (Babytalk-Gastautorin)
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Wir danken der Zwergensprache GmbH für die zur Verfügungstellung der Fotos.
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