Kreidezähne – Ein Interview mit dem Zahnarzt Dr. Dr. Andreas Dorow

Kreidezähne – Ein Interview mit dem Zahnarzt Dr. Dr. Andreas Dorow

Kreidezähne – ein Thema, welches nicht nur schmerzhaft für betroffene Kinder ist, sondern auch viele Eltern verunsichert. Viele fragen sich, was sie als Eltern falsch gemacht haben.  Hätte man Kreidezähne durch mehr Putzen oder mehr Anmahnen verhindern können?

Die vielen Informationen über BPA (Bisphenol A) in Babyflaschen und Schnullern lassen zudem die besorgte Frage aufkommen, ob man vielleicht beim Kauf der Erstausstattung hätte Fehler vermeiden können.

Wir haben zu diesen und den grundsätzlichen Fragen rund um das Thema „Kreidezähne“ einem Zahnarzt sprichwörtlich auf den Zahn gefühlt. Dr. Dr. Andreas Dorow ist nämlich sowohl Dr. der Zahnmedizin als auch Dr. der Humanmedizin, was ihm eine fachübergreifende Reflexion ermöglicht.

Hier nun unser Interview rund um Kreidezähne:

Was sind Kreidezähne?

Grundsätzlich gehören Kreidezähne zu den Zahnschmelzdefekten.

Es gibt verschiedene angeborene Zahnschmelzdefekte, die schon länger bekannt sind und auf eine genetische Schwächung des Zahnschmelzes zurückzuführen sind. Wodurch diese Zähne nicht ihre typische Stabilität erhalten. Diese Erkrankungen sind jedoch sehr selten.

Das Aufkommen der Kreidezähne scheint dagegen etwas ganz Neues zu sein, was zudem noch sehr verbreitet ist. Es gibt Zahlen, die auf eine Verbreitung bis zu 30 Prozent betroffener Kinder hindeuten.

Abgrenzung: Kreidezähne und häufigere Erscheinungen mit ähnlichen Symptomen

Viel präsenter als Kreidezähne an sich sind zwei Erscheinungen:

  • Einerseits gibt es die sog. Fluorose: Das sind weißen Flecken auf den Zähnen (Fluorideinlagerungen), die aber harmlos sind, weil sie die Stabilität des Zahnschmelzes nicht beeinträchtigen. Diese, treten auf, wenn die Kinder während der Mineralisierung der Zähne zu viel Fluorid bekamen. 
  • Des Weiteren gibt es häufig weiße Verfärbungen, die auf eine zu saure Ernährung zurückgeführt werden können und eine Demineralisierung, eine Vorstufe von Karies, darstellen.

Wann entstehen Kreidezähne?

Kreidezähne bei Kindern sind eine Schmelzbildungsstörung, die bereits auftritt, bevor die Zähne durchbrechen. Das heißt also: Während die Zähne in der Tiefe im Kieferknochen angelegt werden, kommt es dazu, dass der Zahnschmelz nicht richtig ausgebildet wird. Und das vor allem bei den Backen- und Schneidezähnen. Die Eckzähne und kleinen Backenzähne scheinen weniger betroffen zu sein.

Dies kann sowohl bei den Milch- wie auch bei den bleibenden Zähnen auftreten, wobei es bei den Milchzähnen nicht so schlimm ist.

Da die Kreidezähne ja bereits vor dem Austritt der Zähne aus dem Zahnfleisch entstehen, können die Kreidezähne auch nicht vorher erkannt bzw. geheilt oder verhindert werden.

Woran erkennt man Kreidezähne?

Wenn die Kreidezähne nur schwach ausgeprägt sind, haben sie weißliche Verfärbungen. Stärkere Zahnschmelzstörungen sind dagegen durch gelbliche Verfärbungen gekennzeichnet. Diese sind durch den Zahnarzt sehr gut zu diagnostizieren, da es sich nicht nur um großflächigere gelbliche Verfärbungen handelt, sondern der Zahnschmelz an diesen Stellen zudem dünner ist oder ganz fehlt.

Man erkennt es bereits beim Durchbrechen des Zahnes durch den Kiefer, da er bereits dann recht weich uns bröselig ist.

Handelt es sich bei den Kreidezähnen um eine Art Modeerscheinung oder gab es sie schon immer?

Ob es sie schon immer gab, ist nicht eindeutig zu beantworten. Bis 2004 wurden sie im den Zahnstudiengängen zumindest nicht thematisiert. Sicher ist, dass sie in den letzten Jahren verstärkt diagnostiziert werden.

Was verursacht die Entstehung von Kreidezähnen?

Es gibt keine aktuellen Forschungsergebnisse. Es wird immer noch vermutet, dass Weichmacher, chronischer Erkrankungen oder Medikamente, wie Antibiotika, die die Kinder bekommen, die Entstehung fördern. Auch Atemwegserkrankungen bei Kindern werden immer wieder als eine mögliche Ursache erwähnt. Doch all diese Vermutungen sind noch sehr nebulös und in keiner Weise wissenschaftlich belegt.

Es ist seit mindestens 20 Jahren bekannt, dass Kinder unter 8 Jahren keine Tetracycline (Antibiotika wie zum Beispiel Doxycyclin) bekommen dürfen, da diese bei der Entwicklung der Zähne in den Zahnschmelz gelangen und zu weniger Härte führen.  

Da die Ursache für die Entstehung der Kreidezähne nicht bekannt ist, gibt es auch keine Möglichkeit für die Eltern, ihre Kinder davor zu schützen. Das ist sehr bedauernswert, da die Zähne aufgrund ihrer Empfindlichkeit viel eher und häufiger schmerzen.

Wie werden Kreidezähne behandelt?

Da Kreidezähne bereits tief im Knochen angelegt werden, kann man ab dem Zeitpunkt der Anlegung prophylaktisch nichts mehr dagegen tun. Die einzige Möglichkeit der Prophylaxe besteht darin, sich spätestens ab der Schwangerschaft gesünder zu ernähren. Was generell beinhaltet in dieser Zeit nicht zu rauchen, keinen Alkohol zu trinken und sicherheitshalber Weichmacher, soweit wie möglich zu vermeiden.

Die Therapie besteht derzeit vor allem in verstärkten Vorbeugungsregeln, die eh zur Schonung der Zähne, wie bei Karies, eingehalten werden sollten. So sollten zum Beispiel Saftschorlen, wegen ihrer starken Konzentration von Zucker und Kohlensäure sowie Süßigkeiten, die lange im Mund „kleben“, vermieden werden.

Wichtig sind vor allem regelmäßige intensive Kontrolltermine beim und die Intensivfluoridierung durch den Zahnarzt, viel Zähneputzen und die Verwendung eines hoch fluoridhaltige Zahngels. Durch diese Maßnahmen kann der geringe Zahnschmelz geschützt und somit länger erhalten werden.

Die Behandlung von Kreidezähnen selber besteht je nach Schweregrad bzw. der Schädigung der Zähne durch eine Fissuren-Versiegelung, ein ersetzen der brösligen Stellen durch Füllungen. Und ggf. die Entfernung der befallenen Stellen um den Zahnkern herum mit anschließender Überkronung. Die heutigen Kronen halten durch die neuen Klebstoffe auch wesentlich besser als früher und sind nun zudem auch für Kinder und Jugendliche geeignet.

Der vollständige Ersatz der Kreidezähne ist nur in den seltensten Fällen notwendig. Was häufiger gemacht wird, ist wenn ein Backenzahn gezogen werden muss, dass man den dahinterkommenden Weisheitszahn kieferorthopädisch nach „vorne zieht“.

Was tun, wenn Kinder Angst vor einer Zahnarztbehandlung haben?

Hilfreich ist es schon früh mit den regelmäßigen Zahnarztbesuchen zu beginnen. Diese laufen dann auch eher sanft ab und die Kinder so ein Vertrauen zu ihrem Zahnarzt aufbauen und weniger Angst entwickeln. In Fällen von starker Angst vor einem Zahnarztbesuch (die nicht selten von einem Elternteil übernommen wird) ist eine Vollnarkose sinnvoll und am wenigsten traumatisierend für das Kind. Diese Vollnarkosen sind heutzutage so schonend, dass sie für Kinder keine Probleme darstellen.

Hier noch einmal die wichtigsten Fakten zusammengefasst:

  • Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist die beste Prophylaxe. Auch wenn nicht sicher ist, ob dadurch die Entstehung von Kreidezähne vermieden werden kann.
  • Kreidezähne können Eltern nicht verhindern. Man kann das Kind jedoch dabei unterstützen, die sehr anfälligen Zähne vor weiteren Erkrankungen zu schonen.
  • Kreidezähne erkennt man recht schnell: Sie sind verfärbt, weich und oft durch einen bröckelnden Zahnschmelz gekennzeichnet
  • Die Behandlung erfolgt meist durch das „Ausbessern“ der kaputten Zahnschmelz-Stellen. Was unter Umständen auch bedeuten kann, dass ein Zahn komplett überkront werden muss.
  • Sehr ängstliche Kinder / größere Eingriffe können dank sehr schonender Vollnarkosen sehr gut bei Kindern durchgeführt werden

Wir danken Dr. Dr. Andreas Dorow für diese wirklich ausführlichen und verständlichen Erklärungen zu einem nicht ganz einfachen Thema. Wir freuen uns, wenn wir möglichst vielen Eltern mit diesem Interview einige Fragezeichen über den Köpfen beseitigen konnten.

Wenn ihr einen Bericht zum Thema Kreidezahn lesen möchtet, findet ihr hier den Bericht über die Kreidezahn-OP von Miras Tochter Viktoria.

Liebe Grüße

Eure Babytalk-Redaktion

Beitragsbild: Zurijeta / Canva.com

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