Geburtsschmerzen lindern: Mit Atemtechniken durch die Wehen

Geburtsschmerzen lindern - Geburtsmantras

Für viele Schwangere ist die Vorfreude auf das Baby auch mit Angst vor möglichen Geburtsschmerzen, sowie Sorge um das Wohlergehen des Babys verbunden. In einer solch angespannten Situationen ist es normal, dass die Atmung flacher und schneller wird. Mit dieser aufsteigenden Angst ziehen sich die Schultern häufig nach oben (Schutzhaltung) und der Kopf sinkt immer weiter runter Richtung Brustkorb. Als Konsequenz verspannen sich die Nackenmuskeln.

Falls die Gebärende in einem solchen Moment nicht an das regelmäßige Atmen erinnert wird, kann sich die Angst bis hin zur Panik steigern. Der damit verbundene Sauerstoffmangel hat eine zunehmende Muskelkontraktion (Zusammenziehen der Muskulatur) zur Folge.

Am besten ist es, die richtigen Atemtechniken für die Wehen bereits frühzeitig mit seinem Partner in einem Geburtsvorbereitungskurs zu erlernen. In denen meist verschiedene, auf die einzelnen Geburtsphasen oder Wehenstadien zugeschnittene Atemtechniken vorgestellt werden.

Während der Schwangerschaft sollten diese am besten jeden Abend geübt werden, so dass sie bis zur Geburt ganz selbstverständlich werden.

Die „richtige“ Atmung ist eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, dass ihr die Geburt so entspannt und schmerzfrei, wie möglich erleben könnt.

Vorteile der richtigen Atmung während der Geburt

Die wichtigsten Vorteile sind:

  • Euer Baby wird unter der Geburt mit ausreichend Sauerstoff versorgt, damit es dieses traumatische Ereignis und seine Strapazen gut übersteht.
  • Sie gibt euch Kraft für den Geburtsprozess, der sich über Stunden oder manchmal auch über Tage hinstrecken kann.
  • Die Konzentration auf die Atmung und die damit verbundene Sauerstoffversorgung, hilft euren Muskeln sich zu entspannen und somit leichter zu dehnen.
  • Der bewusste (kontrollierte) Atemrhythmus stärkt euer Gefühl von Kontrolle und mindert Ängste.
  • Das Tönen beim Ausatmen, besonders bei öffnenden A-Lauten, fördert sowohl die Öffnung eures Muttermunds als auch die eures Beckenbodens. Dies erleichtert euch und eurem Kind die Geburt.
  • Das bewusste Atmen hilft den Wehenschmerz zu lindern und Verletzungen unter Geburt zu vermeiden. Darunter zählen der Dammschnitt, der Damm- und Scheidenriss sowie die Analfissur.

So gelingt der Umgang mit den Geburtsschmerzen

Unser Körper hat die erlernbare Fähigkeit, sich willentlich zu entspannen. Die Fähigkeit sich zu entspannen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen guten und störungsfreien Geburtsverlauf. Durch die Fokussierung auf die natürlichen Körperfunktionen können Schmerzen ausgeblendet bzw. vermindert werden.

Geburtsschmerzen sind Hinweis auf eine „Blockade“

Schmerzen während des Geburtsprozesses sind immer ein Hinweis, dass etwas gerade nicht passt. Die meisten Schmerzen entstehen durch extremen Druck des Babykopfes auf seinem Weg durch den Geburtskanal. Häufig ist die Position des Beckens gerade nicht optimal und der Kopf stößt gegen einen Knochen oder empfindsames Gewebe, wie z.B. den Damm. Wenn kein medizinischer Befund vorliegt, sollte geschaut werden, ob die Position der Gebärenden angepasst werden kann. Vor allem handelt es sich hierbei um Bewegungen, die auf das Becken einwirken.

Weitere wirkungsvolle Entspannungstechniken, wie z.B. sie auch von der Lamaze-Organisation empfohlenen werden, helfen Spannungen und Verkrampfungen zu lösen und verhindern die Kontraktion der Muskulatur. Nur einer entspannten Muskulatur ist weich und fällt es leicht sich zu dehnen .

Dabei ist es hilfreich bewusst ruhig in den Schmerz hinein zu atmen. Eine stockende Atmung wirkt krampffördernd, was die Geburtsschmerzen verstärken würde. Nicht weiter zu atmen bedeutet im Schmerz stecken zu bleiben und kann ohne Intervention durch einen Partner, Hebamme oder Doula leicht in einer Panik enden.

Unsere Atmung hat einen Einfluss auf unsere Körperchemie und ist in der Lage uns in einen tiefen und ruhigen Bewusstseinszustand zu versetzen. Aus diesem Grund stellen wir euch nachfolgend die hilfreichsten Atemtechniken für die verschiedenen Geburtsphasen vor.

Die Latenzphase – Beginn der ersten Vor-Wehen

Diese Phase, die bis zu zwei Nächste dauern kann, wird von vielen noch nicht zu den Geburtsphasen gezählt. Sie ist gekennzeichnet durch das erstes Wehen-Ziehen im Bauch, wobei der Körper beginnt, seine Muskeln für die Geburt zu trainieren. Diese Wehen, werden Vor-Wehen genannt und dauern in der Regel weniger als 30 Sekunden und kommen noch sehr unregelmäßig.

In dieser Phase ist es wichtig Ruhe zu bewahren, sich ablenken und am besten eine entspannte und krafttankende Zeit in der gewohnten Umgebung zu gönnen. Auf keinen Fall sollte die werdende Mutter sich in die Wehen hineinsteigern.“ Schwangere, die in der Latenzphase ins Krankenhaus kommen, werden in der Regel wieder nach Hause geschickt.

Ein sicheres Startsignal, dass nun die Eröffnungsphase beginnt, ist, wenn die Schwangere mit den Wehen nicht mehr allein sein möchte. Jetzt ist ggf. der Zeitpunkt ins Geburtshaus oder Geburtsklinik zu fahren.

Die Eröffnungsphase: Atemtechniken für die Wehen:

Die Dauer der Eröffnungsphase kann sehr unterschiedlich lang sein. Beim ersten Kind beträgt sie durchschnittlich zehn Stunden. Sie kann aber auch bis zu 24 Stunden oder länger dauern. Dabei ist es wichtig, die Gebärende so weit wie möglich in Ruhe zu lassen, sodass sie in eine Art Trance-Zustand kommt und das Geburtsgeschehen an ihren Körper abgeben kann.

Während des gesamten Geburtsprozesses ist das gleichmäßige und tiefe Atmen wichtig. Es vermeidet bzw. korrigiert immer wieder hektisches oder das Anhalten eures Atems.

In der Eröffnungsphase kommen die Wellen in noch relativ großen Zeitabständen. Sie werden aber abgesehen von Unterbrechungen stetig kürzer und dauern zur Geburt hin ca. 1 bis 1,5 Minuten.

Es gilt die Faustregel „Dreimal länger ausatmen als einatmen“ bzw. solange bis sich die Lungen „leer“ anfühlen.

Wenn ihr also eine Welle anrollen spürt, holt tief Luft und atmet mit der Vorstellung in die Welle und euren Bauch hinein und lasst euren Ausatem durch euren locker und leicht geöffneten Mund sanft und ruhig fließend entweichen. Das Atmen in den Bauch weitet den Platz für euer Baby mehr als man denkt und macht es ihm leichter auf seinem Weg durch euer Becken.

Manche Frauen empfinden das Tönen beim Ausatmen als mit Lauten wie einem „Ahhhh“ oder „Jaaaaa“ als sehr wohltuend. Probiert mit der Ausatmung sämtliche Anspannungen im Körper bewusst loszulassen. Legt dabei den Fokus vor allem auf euer ausatmen. Das Einatmen geschieht von allein.

Heute empfiehlt man anders als früher kein Hecheln, da es zur Hyperventilation und somit zu Muskelkontraktionen führen kann.

In der Wehenpause trägt eine lange und tiefe Atmung dazu bei, den Teufelskreis aus Muskelanspannung, Angst und Schmerz zu durchbrechen.

Die Übergangsphase der Geburt: tiefe und ruhige Atemzüge helfen

Viele Gebärende empfinden die Übergangsphase für sehr anstrengend, weil sie einen starken Druck auf ihrem Beckenboden spüren und dem Drang zu Pressen noch nicht nachgeben dürfen.

In dieser Phase erfordert das Atmen eine große Konzentration.

Atmet zu Beginn einer Wehe tief ein- und dann in vielen kleinen Stößen aus. Diese Atemtechnik solltet ihr bis zum Ende der Wehe fortsetzen. Nach dem Ende der Wehe ist es hilfreich, wenn ihr über euren geöffneten Mund einmal ganz tief ein- und ausatmet.

Die Austreibungsphase: Atemtechniken für die Presswehen

Sobald der Muttermund sich vollständig geöffnet hat, was bei ca. 10 cm der Fall ist, spricht man vom Beginn der Austreibungsphase. Mit der Austreibungsphase beginnt der letzte Abschnitt der Entbindung. Jetzt setzen die schmerzhaften Press- bzw. Austreibungswehen ein und die werdende Mutter beginnt, reflexartig zu pressen.

Nun darf dem Pressdrang nachgeben werden und das empfinden die allermeisten Frauen als absolute Erleichterung.

Dabei atmet die Frau zu Beginn einer Wehe tief ein, hält die Luft an und dann schiebt Richtung Beckenboden. So wird das Kind immer tiefer in den Geburtskanal geschoben.

Allerdings sollte die Frau auch nicht zu lange die Luft anhalten, weil sonst die ausreichende Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind gefährdet wird. In diesem Fall sollte die Gebärende wieder tief Luft holen und den Prozess wiederholen.

Als Daumenregel gilt, dass man etwa dreimal pro Wehe tief Luft holt und schiebt. Ist die Wehe vorbei, atmet man ruhig ein und aus. Die Wehenpausen muss man auf jeden Fall zum Verschnaufen und Kräftesammeln nutzen.

Wichtig ist es bei der Atmung darauf zu achten, dass man nicht zu schnell ein- und ausatmet, denn sonst kann dies zu Kreislaufproblemen und Hyperventilation führen.

Achtet beim Pressen bzw. beim Schieben darauf nach unten in Richtung euer Beckenboden zu schieben. Dabei ist es hilfreich, wenn ihr euch dies beim Atmen bildlich vorstellt.

Geburtsschmerzen und -verletzungen vermeiden

Sobald eine Wehe beginnt, atmet ihr tief ein. Mit eurem Ausatem schiebt ihr unterstützt durch ein Tönen, egal ob mit einem langgezogenen „Aaaah“, „Jaaaaa“ oder einem langen und sanften „Ffffff“ (bei dem ihr eure Lippen leicht vibrieren lasst“) euer Baby immer weiter aus euch heraus. So wird euer Damm entlastet und mögliche Geburtsverletzungen vermieden.

Während einer Welle schiebt ihr so oft, wie es sich für euch gut anfühlt, was vermutlich drei- bis fünfmal sein wird, euer Kind Richtung Ausgang.

Zwischen den Wellen hilft es euch auf ein tiefes Ein- und langes Ausatmen zu konzentrieren. Dies ist erholsam und verhindert, dass eure Muskulatur fest wird.

Pausen beim Pressen

Hinweis: In dem Moment, wo eure Hebamme euch auffordert, mit dem Pressen aufzuhören, vertraut ihr, hört auf mit dem Pressen und atmet weiter.

Wenn ihr länger oder stärker als von eurer Hebamme empfohlen, presst, kann sich euer Damm nicht langsam dehnen, was leicht in einer Geburtsverletzung endet. In dieser Phase ist bereits das Köpfchen eures Babys sichtbar und ein zusätzlicher Druck auf den Damm gefährlich. Atmet in dieser Situation etwas flacher ein und aus, ohne es aber ganz zu vergessen.

Euer Partner bzw. Begleitung sollten euch immer wieder liebevoll und bestimmt daran erinnern, tief Luft zu holen und lang und gedehnt auszuatmen.

Auch wenn es euch schwerfällt und die Schmerzen schon sehr groß sind, widersteht dem Impuls die Luft anzuhalten. In der Regel ist die Angst unten zu zerreißen der Grund.

Nutzt die Wirkung eines lockeren Kiefers auf eure Beckenmuskulatur.

Das Tönen von öffnenden A-Lauten unterstützt die Weitung eures Beckens und hat somit einen unterstützenden Einfluss auf den Geburtsverlauf und lindert die Geburtsschmerzen.

Macht euch immer wieder bewusst, „Euer Körper weiß, was zu tun ist! Vertraut dem natürlichen Prozess der Geburt. Euer Baby wird den Weg durch euer Becken finden. Eine liebevolle und mutmachende Begleitung wird euch dabei unterstützen, eure letzten Kräfte zu mobilisieren. Genauso wie die folgenden Atemübungen;

Die Luftballon-Übung

Atmet nach jeder Wehe einmal tief in den Bauch als wolltet ihr einen inneren Luftballon aufblasen. So bekommt euer Baby mehr Platz und eine Extraportion Sauerstoff.

Die Eisenbahn-Übung

Falls der Muttermund noch nicht weitgenug geöffnet ist, atmet wie eine Lokomotive auf tsch, tsch, tsch, tsch – Laute aus, um den Pressdrang zu unterdrücken.

Die Zählmethode

Das Zählen beim Einatmen und Ausatmen hilft euch ganz auf eure Atmung zu konzentrieren. Mit dem Effekt, dass ihr nicht gleichzeitig Grübeln und euch in Angst schürenden Gedanken verlieren könnt. Ängste lassen uns Verspannen und das ist etwas, was wir unter der Geburt absolut nicht gebrauchen können.

Anspannungen und Ängste führten dazu, dass wir den Kiefer und damit gleichzeitig das Becken zusammenpressen.

Übt gemeinsam die Zählatmung, in dem ihr dreimal so lange ausatmet, wie ihr einatmet. Zählt: „1, 2, 3“ beim Einatmen und „1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9“ beim Ausatmen. Diese Methode nennt man Zählmethode und wird u.a. beim Hypnobirthing praktiziert.

Geburtsmantras einsetzen

Das „Aufsagen“ von oder Meditieren mit Mantras hilft sich zu fokussieren und alle anderen Gedanken immer wieder, wie bei einem Film, vorbeilaufen zu lassen. Das laute oder stille Aufsagen von Geburtsmantras hilft euch neben der Konzentration auf die Geburt sich durch ihre enthaltenden „Bilder“ zu öffnen. Ihr könnt die untenstehenden Mantras verwenden oder euch von ihnen inspirieren lassen und eigene formulieren.

Geburtsschmerzen lindern - Geburtsmantras
Geburtsmantras

 

Massage und Reflexzonenmassage bei der Geburt

Alles was während des Geburtsprozesses zur Entspannung der werdenden Mutter beiträgt ist willkommen. Alle sanften Berührungen und vor allem Massagen sind eine hervorragende Methode zur Entspannung und Schmerzlinderung, so kann sich die Muskulatur viel leichter und somit weniger schmerzhaft dehnen. Voraussetzung ist eine gute bzw. ausreichende Sauerstoffversorgung der Muskeln.

Am besten immer wieder probieren, welche Körperstellen gerade als berührungsbedürftig empfunden werden.

Es gibt aber auch Frauen, die zeitweise während der Schwangerschaft und vor allem während der Geburt nicht berührt werden möchten. Auch wenn es manchmal schwer verständlich ist, es sollte nicht als Zurückweisung aufgefasst und so von ihrem Partner respektiert werden.

Als besonders wohltunend werden Druckmassagen im Bereich des Kreuz-bzw. Steißbeins empfunden. Auch das Rollen von sauberen Tennisbällen, Igelbällen sowie Massagestäben wirkt sehr entspannend.

Zusätzliche Tipps

Entspannungsübungen während der Schwangerschaft können euch dabei unterstützen, der Geburt mit Freude entgegenzusehen und bei den ersten Wehen ruhig zu reagieren.

Viele Frauen verspüren bereits vor der notwendigen Öffnung des Muttermunds den Drang zu pressen, obwohl es dafür noch zu früh ist. In diesen Fällen kann es helfen, wenn ihr in den Vierfüßlerstand geht, dabei das Gesäß in die Höhe streckt und eine Wange auf den Boden ablegt. Und sobald eine Welle ankommt, atmen ihr immer wieder viermal stoßweise kurz aus und anschließend schnell wieder ein. Zwischen den Wehen atmen ihr wieder normal.

Trotz möglichen Übens ist es völlig normal, dass es während der Geburt dennoch mal dazu kommt, dass ihr euch verkrampft. Dann ist es wichtig, dass ihr von eurem Partner und oder Doula dabei unterstützt werdet, euch wieder auf eure Atmung und euren Atemrhythmus zu konzentrieren.

Falls ihr das Bedürfnis habt lauter zu atmen, zu tönen oder zu schreien, gibt eurem Bedürfnis nach. Für eure Geburtshelfer ist dies völlig verständlich und normal.

Sie erleben dies tagtäglich. Euer Partner sollte zuvor, z.B. in einem Geburtsvorbereitungskurs darauf vorbereiten werden. Damit dieser sich nicht erschreckt und Angst bekommt. Denn dies könnte zur Folge haben, dass ihr dann den Wunsch verspürt euren Partner zu beruhigen und den Fokus auf eure Geburt verliert. Oder dass seine Angst auf euch überschwappt und ihr euch immer mehr verspannt.

Auch in der Nachgeburtsphase kann die Atmung schmerzlindernd wirken, wenn es darum geht, die Plazenta abzustoßen. In dieser Phase hilft die Atmung aus der Eröffnungsphase: Tief durch die Nase ein- und lange durch den Mund wieder auszuatmen.

Euer Deva (Atemtherapeut und Autor)

Beitragsfoto: gorodenkoff / Getty Images Pro
Foto2: inarik / Getty Images Pro

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Deva Wallow
Deva ist Familientherapeut und Persönlichkeitsentwickler und ist bei babytalk.world als Autor und Chefredakteur verantwortlich für den Inhalt der Seite. Außerdem moderiert er die Community auf Facebook.